Sonntag, 8. Oktober 2023

Die galaktische Verschwörung (auch "Talente-GmbH") von Murray Leinster (1962)

Originaltitel: Talents Incorporated (1962)
Genre: Science-Fiction
Preise: Keine
Übersetzer: Hubert Strassl

Deutsche Ausgabe bei Bastei-Verlang (1972)
Seitenzahl: 160

Inhalt:
Der friedliche Planet Kandar wird von Mekin bedroht, einer kriegerischen und usurpatorischen Zivilisation, die sich bereits mehrere Welten einverleibt und dort ein diktatorisches Schreckensregime installiert hat.
Doch Kandar will dem übermächtigen Gegner den (zu erwartenden) Sieg nicht so einfach machen. Unter der Leitung von Captain Bors will man Widerstand leisten, wenigstens so lange es möglich ist, und dann den Heldentod sterben.
Da bittet ein fremdes Schiff um Landerlaubnis auf Kandar. Es gehört einem Mister Morgan, der behauptet, effektive Hilfe im Kampf gegen die Mekinsen bieten zu können. Seine Firma "Talente-GmbH" beheimatet eine Ansammlung seltsamer Individuen mit
wahrhaft aussergewöhnlichen Fähigkeiten, u.a. Wahrsager, Schnellrechner, Traum-Projektoren und andere mehr.
Natürlich ist der Militarist und realist Bors skeptisch, doch einige Demonstration der Talente bewegt ihn immerhin dazu, die Dienste des Mr. Morgan auszuprobieren - mit atemberaubendem Erfolg!

Mein Eindruck:
Die Inhaltsangabe klingt gut, dahinter könnte sich eine schöne Komödie verstecken.
Doch weit gefehlt! Die galaktische Verschwörung ist ein lieblos abgehandeltes Kampfszenen-Potpourri ohne jeden Charme.

Dabei stellt sich allerdings die Frage, wie weit dieser Umstand dem Autor oder dem Übersetzer anzulasten ist, denn der Roman ist unglaublich schlecht übersetzt!
Die Sätze sind bisweilen derart ungelenk und holprig, dass man einzelne Passagen mehrmals lesen muss, um eine Ahnung ihres Sinns zu erfassen. Dadurch kann man der Handlung an manchen Stellen kaum folgen.
Das streckenweise willkürlich wirkende Aneinanderreihen von disparaten Sätzen ist im englischen Originaltext nicht auszumachen, jedenfalls nicht im ersten Kapitel, von dem ich im Internet eine Leseprobe gefunden habe.
Das weist stark auf die Schuld des
Übersetzers an dem Schlamassel hin.

Die deutsche Erstausgabe von 1965
Die Leseprobe zeigt auch, dass Kürzungen vorgenommen und ganze Satzfolgen zerstört und neu zusammengebastelt wurden. Wahrscheinlich stammt die Übersetzung noch aus der Ersterscheinung, einer Terra-Ausgabe von 1965.

Punkto Erzählkunst muss hingegen festgestellt werden, dass die Figuren auch im Original keinerlei Tiefe besitzen und die Geschichte als simple Abfolge von sich ablösenden Ereignissen abgespult wird. Weder sind Reaktionen des bösartigen Gegners auf die verblüffenden Erfolge der kandarischen Flotte beschrieben noch findet man Charakterisierungen der schrägen Individuen von "Talente-GmbH", die allesamt irritierend anonym bleiben.
Damit wurde die Chance verpasst, dem Text Leben einzuhauchen. Das sarkastische und komödiantische Potential wurde offenbar nicht mal erkannt, geschweige denn genutzt.
Zudem gibt es zahlreiche logische Fehler, die wohl der Zeit geschuldet sind, in der dieser Roman entstanden ist.
Aber es lässt sich nicht abschliessend feststellen, wo die
Übersetzung den Roman in den Sand setzt und was auf eine uninspirierte Schreibe zurückzuführen ist. Eine ungute Allianz, würde ich sagen.

Fazit:
Die galaktische Verschwörung ist ein Roman, den ich definitiv nicht empfehlen kann. Obwohl die Handlung einigermassen interessant ist, krankt er an einer miserablen Übersetzung und an einem heute nur noch schwer goutierbaren Erzählstil.
Ein Roman, der jene bestätigt, die behaupten, Science-Fiction sei billige Trivialliteratur.


 

Zum Autor:
Murray Leinster, eigentlich William Fitzgerald Jenkins, war ein US-amerikanischer Schriftsteller. Im Laufe seines Lebens schrieb er über 1500 Geschichten und Romane in verschiedenen Genres mit dem Schwerpunkt Science-Fiction. Einige seiner Geschichten und Romane dienten als Vorlage für Film- und Fernsehproduktionen. 1966 wurde bspw. der Film Verhängnisvolle Fracht veröffentlicht, im Jahr darauf folgte The Terrornauts. (Quelle: Wikipedia)

Donnerstag, 5. Oktober 2023

Krieg der Träume (1979) von Robert Silverberg

 


Originaltitel: Lord Valentine's Castle (1979)
Erster Teil der "Chroniken von Majipoor"
Genre: Fantasy / Science-Fiction
Preise: Hugo und Locus Award 1981
Uebersetzer: Thomas Schlück
Deutsche Ausgabe bei Möwig-Verlang (1980)
Seitenzahl: 588

Zum Buch:
"Krieg der Träume" ist der erste Roman aus Robert Silverbergs berümtem Majipoor-Zyklus. Dieser besteht aus acht Teilen; sie sind zwischen 1980 und 2013 erschienen.

Inhalt:
Die Geschichte beginnt mit Valentine, der sich in der Nähe der Stadt Pidruid allein auf einem gebrigigen Pfad wiederfindet und nicht weiss, wer er ist und woher er kommt. Er trifft auf den Hirten Shanamir, der auf dem Weg ist, seine Herde in Pidruid zu verkaufen. Gemeinsam begeben sie sich in Richtung der Stadt, die sich in Erwartung des Planeten-Regenten, Coronal Lord Valentine, festlich geschmückt hat.
Die beiden Wanderer treffen auf einen Trupp Gaukler, die Valentines bislang verborgenes Jonglier-Talent entdecken und ihn und Shanamir bei sich aufnehmen.
Auf ihrer langen Tournee durch den Kontinent Zimroel wird Valentine immer wieder von rätselhaften Träumen heimgesucht; Träume haben auf Majipoor grossen Stellenwert und unterliegen, je nachdem, ob sie vom König der Träume von von der Lady der Trauminsel stammen, unterschiedlichen Deutungen.
Dank der Träume verfestigt sich der Verdacht, dass Valentine der eigentliche Coronal ist, in den Körper eines Anderen versetzt, während der amtierende Herrscher sich zunehmend als Usurpator entpuppt. Lange vermag Valentine nicht recht zu glauben, dass er zu Höherem berufen sein soll, doch seine Freunde und einige wichtige Begegnungen überzeugen ihn im Laufe der Geschichte vom Gegenteil.
So nimmt eine Odyssee durch die farbigen, vielfältigen Landschaften und Kontinente Majipoors ihren Lauf, die zum Ziel hat, den Thron mit dem rechtmässigen Herrscher zusammenzubringen.

Mein Eindruck:
Robert Silverberg
(* 1935) hat eine Fülle von Science-Fiction Romanen verfasst, darunter die sogenannten "Majipoor-Chroniken", Romane, die in einem frei erfundenen, nicht näher lokalisierten Planetensystem spielen. Kreig der Träume ist davon der erste.

Der Planet Majipoor ist eine riesige Welt mit Meeren und Kontinenten, die von verschiedenen Wesen - u.a. auch von Menschen - in friedlicher Ko-Existenz bewohnt wird. Majipoor wird seit tausenden von Jahren von einem Coronal und einem Pontifex regiert, wobei der auf einer Burg hoch über den Wolken thronende Coronal die für alle Bewohner sichtbare Regierungsmacht darstellt, und der Pontifex, jeweils ein abgedankter Coronal, die Geschicke des Planeten aus einem tief im Erdinnern verborgenen Labyrinth lenkt.
Träume spielen eine wichtige Rolle auf Majipoor, sie bestimmen zu einem grossen Teil das Leben und die Entscheidungen aller Bewohner des Planeten.

Zuvorderst fällt beim Lesen der Umstand ins Auge, wie farbenfroh, sprachlich interessant und detailliert Silverberg die verschiedenen Zivilisationen und Volksbräuche beschreibt; auch die exotischen Landschaften, die fremdartige Flora und Fauna, kurz: die ganze Schönheit der Welt erwacht dank einer liebevollen Schilderung und der unerschöpflichen Detailfreude des Autors zum Leben.
Vor diesem Hintergrund bleibt unverständlich, wie
die Verlagsverantwortlichen gleich zwei ausgesucht hässliche, nichtssagende, der Geschichte komplett unangemessene Titelbilder wählen konnten (je eins für die Auflagen eins und zwei, s. Bilder oben und unten; siehe zum Vergleich die Titelbilder zweier englischsprachiger Ausgaben weiter unten im Text).

Titelbild der zweiten Auflage

Der deutsche Titel ("Krieg") suggeriert zudem Gewalt und Action - beides fehlt fast gänzlich in diesem Buch. Dasselbe gilt für das heute schon fast obligatorische gut-Böse-Schema: Echte Bösewichte sucht man vergebens, Silverbergs Personal (Valentines stetig wachsende Gefolgschaft) besteht aus lauter fehlbaren, aber liebenswürdigen, bisweilen verschrobenen Charakteren, tentakelbewehrten Zauberern, knurrigen vierarmigen Pelzwesen und ganz normale Menschen mit Schwächen und Macken. Diese Figuren versteht Silverberg wunderbar lebendig zu beschreiben, sie wachsen einem ans Herz - allen voran der Hauptprotagonist Valentine.

Wie der Autor das innere Dilemma des freundlichen, erinnerungslosen Gauklers beschreibt, der erfährt, dass er einmal der Coronal gewesen sein soll, der langsame Prozess des in-die-Rolle-Hineinwachsens, das hat echt Klasse und hebt diesen Roman von vielen blutleeren Hard-Science-Fiction-Romanen ab, die damals vornehmlich von Wissenschaftlern verfasst und von der Kritik hochgejubelt wurden. Silverberg hat mit Wissenschaft nichts am Hut, er ist ein Vollbluterzähler und als solcher legt er sich hier mächtig ins Zeug, um zu zeigen, was er kann.

Bis auf wenige kurze Sequenzen spielt die Technik kaum eine Rolle in der Geschichte; Krieg der Träume könnte glatt unter dem Label "Fantasy" veröffentlicht werden; er ist zu 95 % Prozent Fantasy- und zu 5 % Science-Fiction-Roman. Die Fahrzeuge, eine das Klima verändernde Maschine und ein medizinisches Lebenserhaltungssystem sind die einzigen Ingedienzien, die auf eine hoch entwickelte Technik hinweisen. Trotzdem wird er auch in den USA der Science-Fiction zugeschrieben.

Fazit:
Krieg der Träume lässt sich auch heute noch sehr gut lesen; ich fand die Lektüre sehr spannend, anregend und interessant, und zwar aufgrund des zwar gemächlichen, aber nichtsdestotrotz hervorragend aufgebauten Spannungsbogens, der herrlichen Figurenzeichnung und der phantasievollen Schilderungen; das Eintauchen in diese fremde, exotische Welt macht richtig Spass.
Wer aber ohne permanente Action, Weltraumschlachten, Gut-Böse-Schema nicht bei der Stange bleiben kann, der sollte besser die Finger davon lassen.